Hundreds im Interview: "Sei laut, mach den Mund auf"

Eva Milner über Veränderungen, Feminismus und die Corona-Tour-Verschiebung

Am Freitag erscheint mit "The Current" das neue Album des Hamburger Geschwisterduos Hundreds. Im April sollte die Tour starten, doch dann brach die Corona-Pandemie aus. Im Interview erklärt Eva Milner den schmerzhaften Prozess bis zur Fertigstellung des Longplayers und wie es nun weitergeht.

Hundreds

Hallo Eva, wie geht es euch gerade? Wie geht ihr mit der aktuellen Situation um? Und was bedeutet das für die Tour?

Uns geht's soweit gut. Wir sind seit zwei Wochen alle bei Philipp, um unsere Instrumente umzubauen und dann eigentlich mit den Proben zu beginnen. Im Laufe der ersten Woche kristallisierte sich dann immer mehr raus, dass das gerade eine Pandemie und unsere Tour abgesagt und verschoben wird. Wir versuchen, obwohl auch die ganze Album-Promo-Phase mit Herumreisen und Fernsehauftritten abgesagt wurde, das Beste draus zu machen. Auf dem Land macht das nicht soviel aus mit der Quarantäne, weil ohnehin kaum jemand draußen unterwegs ist. Und ein bisschen proben wir tatsächlich auch schon, selbst wenn die Tour erst im August stattfindet. 

Zwischen “Wilderness” und “The Current” ist viel Zeit vergangen. Woran lag es?

Das Album ist seit September fertig, es waren also nur zweieinhalb Jahre. Vom ersten bis zum zweiten haben wir länger gebraucht. Da waren es vier. Es war aber dieses Mal schon auch ein schwieriger Prozess. Philipp und ich hatten uns bisher immer sehr autark gesehen und Hundreds so gedacht. Wir wollten nicht, dass uns da jemand rein pfuscht - negativ ausgedrückt. Dann war es aber so, dass wir beide vor einer Wand saßen und uns auch gegenseitig nicht mehr helfen konnten. Wir sind sehr selbstkritisch, das ist auch nicht immer ganz einfach. Es dauert eine Zeit, bis wir eine Idee gut finden. Dann hat Philipp sich mit Leuten getroffen, und ich habe mit anderen getextet…

Wärt ihr beiden ein Paar und keine musizierenden Geschwister könnte man sagen, ihr habt eure Beziehung geöffnet?

Ja, genau. Ein bisschen war es so. Und das war total gut. Es ist nicht alles auf dem Album gelandet, was an Einflüssen kam. Aber ich glaube, dadurch klingt das Ganze ein bisschen offener.

War es eine Überwindung, diesen Schritt zu gehen, weil ihr eigentlich lieber allein weitergemacht hättet?

Es war schon ein kleines Scheitern, weil wir gemerkt haben, dass kein Album kommt, wenn wir weitermachen wie bisher. Dann würden wir jetzt noch da sitzen, vermute ich. Philipp war total verzweifelt. Das geht auf die Psyche, wenn du zwei Jahre arbeitest und jeden Abend denkst, du hättest nichts auf die Kette bekommen. Wir haben dann vier Wochen noch einen ganz jungen Produzenten dazu geholt, der eine völlig andere Art zu arbeiten hat als wir. Ich glaube, das war auch ein Teil davon: die verschiedenen Wege, Musik zu machen und Künstler zu sein, war total spannend für uns.

Wie haben sich die Gäste für das Album herauskristallisiert?

Bei Philipp war es so, dass die Leute, mit denen wir hier in Berlin arbeiten, rumgefragt haben, wer Bock hat, etwas mit ihm zu machen. Da kamen ganz unterschiedliche Leute wie Moses Schneider und Novaa, so eine ganz junge Electro-Pop-Frau. Mit denen hat er sich getroffen und erstmal geredet. Über das Leben als Musiker, mit welchen Programmen man arbeitet und so weiter. Teilweise haben sie auch Writing-Sessions gemacht. Ein paar Sachen sind auf dem Album gelandet, aber gar nicht so viel am Ende. 

Und wie war deine persönliche Herangehensweise? Hat die sich von Philipps unterschieden?

Ich habe viel mit Freunden, die auch Musiker sind, etwas gemacht. Bei denen ich mich wohl und als Künstlerin ernst genommen fühle. In ganz stürmische Gewässer wage ich mich nicht, mit jemandem, der mich eigentlich doof findet. 

Die Auskopplung “Ready Shaking Silent” entstand mit Lily Among Clouds, hebt sich musikalisch ein wenig vom Rest ab und handelt vom viel diskutierten Thema Gleichberechtigung. Wie wichtig ist es dir als Künstlerin, für Feminismus zu stehen und deine Message zu verbreiten?

Der Text ist von mir und einer Freundin. Ich habe nur einen kleinen Teil von Lily übernommen. Sie hat mir eine Skizze geschickt, bei der sie zum Bass singt. „Ready Shaking Silence“ fand ich wortmalerischen sehr schön, und es passt zum Bild, weil es eine Kampfansage ist. Ich bin bereit, wie eine Katze auf dem Sprung, bin ruhig, greife gleich an, und du siehst mich nicht. Der Song appelliert an die Solidarität unter Frauen. Wir sollten zusammenhalten, uns gegenseitig helfen.

Eines der wenigen Dinge, die Männer besser machen als Frauen...

Ich gucke immer, dass ich eine Künstlerin mit auf Tour nehme, dass es immer eine Frau ist, die uns supportet. Das ist mir total wichtig. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass das so langsam in den Köpfen angekommen ist. Mir geht es darum, sich gegenseitig zu unterstützen und mehr Frauen auf die Bühne zu holen. Es fängt ja schon im Kindesalter an, dass du deiner Tochter kein Schlagzeug hin stellst, sondern eher deinem wilden Sechsjährigen. Dass man Mädchen sagt, sie sollen nicht laut sein. Das ist das Grundprinzip, und schon das muss sich ändern. 

In dem Moment, in dem man explizit darauf achtet, Frauen mit auf Tour zu nehmen, ist das dann nicht auch schon wieder Geschlechterdiskriminierung in die andere Richtung? Und hat Philipp ein Mitspracherecht?

Da sind wir uns einig. Philipp ist natürlich selbst nicht betroffen, deswegen brennt es ihm vielleicht nicht so unter den Nägeln, aber er ist auf jeden Fall mit im Boot, unterstützt das total. Und unser komplettes Team sind sowieso Männer. Wenn ich auf Tour fahre, bin ich mit Männern im Tourbus. Man könnte es machen wie The Knife und nur noch Frauen einstellen, aber das ist schwierig. 

In vielen Branchen, auch im kreativen Bereich, gibt es inzwischen die Frauenquote. Sicherlich sinnvoll, aber auch umstritten. Eigentlich möchte man einen Job doch bekommen, weil man gut darin ist, und nicht, weil es das Gesetz vorschreibt…

Ich denke, dass das eher einen symbolischen Charakter hat, weil es ja noch immer völlig ungleich verteilt ist. Aber wir brauchen sie, um das Denken zu ändern. Ich finde es auch schwierig, dass es notwendig ist, aber irgendwo musst du ansetzen. Du musst als Frau ja erstmal gesehen werden.

Die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern hat euren Sound verändert. “The Current” ist fast hoffnungsfroh, vor allem im Vergleich zum dystopischen „Wilderness“. War das eine Entwicklung im laufenden Prozess oder gab es trotz aller Schreibblockaden schon vorher den Plan, dahingehend etwas zu ändern?

„Wilderness“ war Verzweiflung, „The Current“ ist jetzt Auflösung. Ich erhebe meine Stimme und versuche, meinen Kräfte zu bündeln. Dadurch, dass wir das Konzept geöffnet hatten, kam diese Strömung dazu. Eben das Hoffnungsvolle, dieses „Sei laut, mach den Mund auf“.

Mai 2023

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