Morrissey – California Son (Album Cover)

California Son

Morrissey

Redaktionswertung: 
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Ach Morrissey: Die Schönheit der neuen Coverversionen tragen einen Makel, denn die Flucht in die Nostalgie kann die Gegenwart so manch hässlicher Äußerungen nicht einfach wegwischen - außer man lässt sich von der kalifornischen Sonne blenden.

Morrissey hegt einen Groll gegen Politik, Medien und Monarchie in Großbritannien: Schon länger ist seine neue selbstgewählte Heimat deshalb die USA – auch wenn er einen Groll gegen Donald Trump hegt. Zu den vielen Widersprüchlichkeiten eines Morrissey gehört dabei, dass er selbstverständlich das Privileg für sich in Anspruch nimmt, zu leben, wo es ihm beliebt, dies aber anderen offenbar missgönnt.

Der selbstbestimmte "California Son" ist nämlich kein sonniger scheuer Musiker, sondern mittlerweile zuweilen das geworden, was man gemeinhin einen "alten weißen Mann" nennt. In diesem Fall spielt das weniger auf die Tatsache an, dass der ehemalige The-Smiths-Sänger die 60 ansteuert, sondern dass sich der ehemalige gemeinhin als liebenswert exzentrische Musiker zu einem rechtskonservativen und rechthaberischen Mann (mit Privilegien) gewandelt hat, der sich zur rechtspopulistischen und anti-islamischen Partei For Britain bekennt.

Das mag zum einen seinem kompromisslosen Tierrechtsaktivismus geschuldet sein, der ihn ähnlich wie Brigitte Bardot blind macht gegenüber den menschenfeindlichen Aussagen solcher Parteien – Hauptsache, das Schächten wird verboten. Zum anderen zeigt es die tragische Rückwärtsgewandtheit eines Musikers, der einst von Außenseitern und Ambivalenz sang und nun immer öfter die (Selbst-)Ironie vermissen lässt und in (alterssture) Selbstgerechtigkeit verfällt.

Video: It’s Over

So ist ein das nun veröffentlichte nostalgische Cover-Album nur ein folgerichtiger Schritt, doch die Wahl der Songs zeigt, dass man es sich so leicht mit dem querulanten Morrissey auch wieder nicht machen kann: Bei den 12 Tracks handelt es sich nämlich zum Teil um Protestsongs von Künstlern, die keineswegs eine rechte Gesinnung haben wie zum Beispiel Bob Dylan oder Joni Mitchell.

Zudem sind Coverversionen schon immer ein wichtiger Teil in Morrisseys Musik, zuletzt überraschte er mit gelungen Versionen von The Pretenders "Last Of The Chaingang" und Lynn Andersons Schmachtfetzen "(I Never Promised You) A Rose Garden" – nun, genau das hat er wohl wirklich niemals und das schmerzt die (vielleicht auch nostalgieverfallenen) Fans, die statt nach Rosen duftenden Wilde-Zitaten momentan eher mit dornigen Polit-Statements zu kämpfen haben. Verrat und verschmähte Liebe also auf beiden Seiten - eigentlich ein zutiefst morrisseyesker Songstoff.

Auf "California Son" geht es jedoch einmal mehr nur um Morrisseys Universum selbst, der in einer eklektischen Songauswahl seine ebenfalls disparaten musikalischen Helden von Roy Orbison über Dionne Warwick hin zu Jobriath – den US-Glam-Bowie – präsentiert.

Video: Lady Willpower

Mit dabei sind diverse Gaststars wie Billie Joe Armstrong von Green Day oder Ariel Engle von Broken Social Scene. Doch die Gäste sind dabei nicht wirklich relevant, denn Morrissey macht aus den unterschiedlichen Songs seine zutiefst Eigenen. Die große Kunst des Coverns – nämlich aus einem bekannten Lied eine neue beziehungsweise eigene Variante zu kreiern, beherrscht er dank seiner immer noch markanten Stimme meisterlich.

Ob er mit seinem neuen Image als alternder Crooner spielt und Roy Orbisons Dramastück "It’s Over" inszeniert und intoniert oder mit seinem sexuellen Image auf "Wedding Bell Blues" spielt: Morrissey fordert hier "Bill"(ie) Joe Armstrong auf ihn zu heiraten – Gendergrenzen spielen auf "California Son" keine Rollen, denn er übernimmt auch weibliche Gesangparts und Haltungen.

So auch im letzten Song des Albums, einer starken Version von Melanie Safkas "Some Say (I Got Devil)", in der es heißt:

"Some say I got devil
Some say I got angel

(...)

And all the things that I have seen
Qualify me for a part in your dream"

Und so will Morrissey gesehen werden und wird wohl auch immer gesehen werden: Als teuflischer Engel oder engelhafter Teufel, dessen Musik sowie Texte immer Teil vieler Träume ist – und leider auch Alpträume.

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